Alexandra Schauer: Unter Stachelschweinen. Gesellschaftliche Zurichtung und destruktive Krisenverarbeitung

25. April 2024
19:00 - 21:00
objekt klein a
Meschwitzstraße 9, Dresden, 01099
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»Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt«, schreiben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrer gemeinsam verfassten, erstmals 1944 erschienenen Dialektik der Aufklärung. Sie weisen damit auf die Gleichzeitigkeit von Vergesellschaftung und Zurichtung hin, die für die Zivilisationsgeschichte im Allgemeinen wie für die Geschichte der bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft im Besonderen charakteristisch ist. Weil die Menschen in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft »bis heute dazu gehalten sind, ein Maß ihrer Liebesfähigkeit nicht etwa geliebten Anderen zuzuwenden, sondern sich selber, auf eine verdrückte, uneingestandene und deswegen giftige Weise zu lieben« (Adorno), führen gesellschaftliche Krisenerfahrungen häufig nicht zu einer Solidarisierung mit Schwächeren, sondern sie bringen destruktive Verarbeitungsweisen hervor, die sich autoaggressiv gegen das Selbst oder aggressiv gegen Andere richten können. Der Vortrag geht dieser Dialektik der Integration auf den Grund. An den historisch spezifischen Reproduktionsbedingungen des Kapitalverhältnisses in der bürgerlich-liberalen, der fordistischen sowie der postfordistischen Epoche ansetzend, zeichnet er die dominanten Formen gesellschaftlicher Zurichtung nach. Fluchtpunkt der Analyse bildet der gegenwärtige Integrationsmodus einer Dialektik von Allzuständigkeit und Ohnmacht sowie die mit ihm verbundenen Tendenzen selbstzerstörerischer Individualisierung und ressentimentgeladener Personalisierung.

Dr. Alexandra Schauer ist seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt und forscht an der Schnittstelle von Soziologie, Sozialphilosophie und Psychoanalyse. Ihr mehrfach ausgezeichnetes Buch Mensch ohne Welt. Eine Soziologie spätmoderner Vergesellschaftung (Suhrkamp 2023) geht in drei materialreichen Studien dem spätmodernen Bedeutungsverlust politischer Gestaltungsphantasien auf den Grund.

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