Im Jubiläumsjahr, der Erinnerungspolitische Fachtag wurde vor zehn Jahren an der Evangelischen Hochschule Dresden ins Leben gerufen, rufen wir das große Thema Kunst und Erinnerungskultur auf, zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal. Konzipiert haben wir das Programm mit dem Zentralwerk, einem Verein, der Teil des sLAG-Netzwerks ist und dessen Mitglieder für ein vielgestaltiges künstlerisches Potenzial stehen, welches sich in den Inhalten des Fachtags widerspiegelt. Ideen für das Programm, aber insbesondere die Möglichkeit, es umsetzen zu können, sind der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zu verdanken, die als dritter Veranstalter für den Fachtag verantwortlich zeichnet.
Mit dem Titel „Sicht|Felder“ möchten wir auf Denkräume anspielen und Orte der Erkundung, das Terrain, wo sich Kunst, Gedächtnis und Erinnerung begegnen, auf die verschiedenen Aspekte unserer Arbeit, unserer Beiträge und Themen zur Erinnerungskultur. Was nehmen wir in den Blick, was legen wir frei, was bearbeiten wir, mit welchen Methoden, mit welchen Werkzeugen und: zu welchem Zweck? Fragen müssen wir uns auch, was sich hinter dem Offenkundigen versteckt, dem Freigelegten. Was entzieht sich an den Rändern unseres Sichtfeldes, was wird unserem Sehen bewusst entzogen? Was möchten wir vermitteln, auf welche Weise bringen wir es zur Ansicht und wie kommuniziert Kunst Geschichte? Wie verändert sich das Verständnis vom Begriff des Gedenkens, wo endet Erinnerung, was tritt an ihre Stelle? Welche Aspekte können verbunden werden zu einem geistigen Feld, einem Erfahrungsraum, der die individuelle Annäherung und Auseinandersetzung ermöglicht, einen inneren Dialog, anstatt ein Vakuum zuzulassen, welches Geschichtsrevisionist*innen auf den Plan rufen kann?
Um all diese Themen kreisen die Vorträge, Workshops und Präsentationen beim diesjährigen Erinnerungspolitischen Fachtag. „Erinnern und Gedenken im öffentlichen Raum – Ansätze und Konzepte der bildenden Kunst“ titelt der Einführungsvortrag von Prof. Dr. Stefanie Endlich, in dem sie auf die Veränderungen von Denkmälern, Gedenk- und Erinnerungszeichen in den letzten Jahrzehnten eingeht, zeitgenössische Konzepte und Vermittlungsideen vorstellt sowie Begriffe wie „Erinnerung“, „Annäherung“ und „Auseinandersetzung“ zur Diskussion stellt.
Nanne Buurman hat in den letzten Jahren insbesondere zur Geschichte der documenta geforscht und thematisiert in ihrem Vortrag „Auferstanden aus Ruinen? Die documenta in Dresden, oder: wie Kunstausstellungen und Kunsterziehung als Medien nationalistischer Metapolitik Geschichte reinwaschen“ den (doch) nicht ganz unbefleckten Gründungsmythos der documenta und ihr zu hinterfragendes postnazistisches Image, wobei auch Bezüge zu Dresden sowie das Vergessen personeller und struktureller Verstrickungen mit der NS-Geschichte eine Rolle spielen.
Auch in den Workshops, die in diesem Jahr ausschließlich von Künstlerinnen geleitet werden, stehen Fragen des Vergessens und Verschwindens im Mittelpunkt („Die Bilder kommen zurück“), die Unsichtbarkeit bzw. Sichtbarmachung von Verfolgungs- und Widerstandsgeschichten („Auf den Spuren der Rom*nja und Sint*ezze im Nationalsozialismus“ – Stencil-Workshop“) und der Umgang mit historischem Material bei der kreativen Annäherung an ein kaum erforschtes historisches Ereignis („Aus Publikumssicht“). In Vorbereitung auf das kommende Jahr mit dem Gedenken an sogenannte Endphaseverbrechen, Kriegsende und Befreiung ist der Workshop „Visuelle Gestaltung für die Erinnerungspraxis“ konzipiert, in dem sich alles um die Erstellung von Material für den Einsatz bei erinnerungskulturellen Projekten 2025 dreht.
Auch die Projektpräsentationen am Nachmittag haben Praxis-Bezug: Künstler*innen und Aktive aus dem sLAG-Netzwerk sowie Mitarbeiter*innen der Gedenkstättenlandschaft stellen ihre Projekte und Arbeitsweise vor. Beabsichtigt ist hier neben der Möglichkeit interessante Vorhaben kennenzulernen, durchaus die Anbahnung künftiger Kooperationen.
Die zehnte Ausgabe des Fachtags feiern wir dank unserer Kooperationspartner*innen mit einem Rahmenprogramm, welches mit einer Theateraufführung, zwei Ausstellungen sowie einer Performance weitere Kunstformen in spannender Auseinandersetzung mit NS-Themen und ihren Bezügen zu unserer Gegenwart und Zukunft versammelt. Am 06.11. steht der „Monolog mit meinem ‚asozialen‘ Großvater – Ein Häftling in Buchenwald“ im Programm, mit Publikumsgespräch im Anschluss, am 07.11. die Doppeleröffnung der Ausstellungen „John von Bergen – RELICS“ und „Eingedenken – Geschichten freilegen“ (beide mit einer Werkeinführung) und am 08. und 09.11., „Third Skin“, die Performance der deutsch-spanischen Choreografin und Künstlerin Ana Lessing Menjibar. Mit Elementen aus der bildenden Kunst, dem zeitgenössischen Tanz und elektronischer Musik-Komposition, nimmt der tanzende Körper hier Bezug auf historisch gewachsene Strukturen und kulturelle Bezüge und macht diese multisensorisch erfahrbar. Auch die Gelegenheit, eine solche künstlerische Auseinandersetzung mit den genannten Themen zu erleben und im Anschluss an die Aufführung (am 09.11.) ins Gespräch mit der Künstlerin zu kommen, sollte man sich nicht entgehen lassen.
Wir freuen uns auf die Begegnung mit euch / mit Ihnen und wünschen interessante und anregende vier Tage im November!
Programmüberblick
09:00 Uhr | Empfang / Anmeldung (EG, Foyer) |
10:00 Uhr | Willkommen (1. Etage, Kleiner Saal) mit einem Grußwort von Dr. Markus Pieper, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft |
10:30 Uhr | Vortrag „Erinnern und Gedenken im öffentlichen Raum – Ansätze und Konzepte der bildenden Kunst“ (Stefanie Endlich) |
11:30 Uhr | Vortrag „Auferstanden aus Ruinen? Die documenta in Dresden, oder: wie Kunstausstellungen und Kunsterziehung als Medien nationalistischer Metapolitik Geschichte reinwaschen“ (Nanne Buurman) |
13:00 Uhr | Mittagspause (EG, Foyer/Barraum) |
14:00 Uhr | Workshops |
Workshop 1 | Susan Donath „Die Bilder kommen zurück“ (1. Etage, Kleiner Saal) |
Workshop 2 | „Auf den Spuren der Rom*nja und Sint*ezze im Nationalsozialismus“ – Stencil-Workshop mit Anne Klopfer und Renata Horvathova (Seminarraum Coloradio, Haus B, Hochparterre) |
Workshop 3 | „Aus Publikumssicht“ mit Dr. Barbara Lubich und Daniela Lehmann (1. Etage, Kabinett) |
Workshop 4 | „Visuelle Gestaltung für die Erinnerungspraxis“ mit Rosa Brockelt und Nazanin Zandi (1. Etage, Foyer vor dem Kleinen Saal) |
15:30 Uhr | Kaffeepause / Vernetzung (EG, Foyer/Barraum) |
16:00 Uhr | Workshop-Präsentationen (EG, Foyer) |
16:30 Uhr | Projektpräsentation „Sicht|Felder“(EG, Foyer) |
17:45 Uhr | Schlussworte / Ausblick (EG, Foyer) |
18:00 Uhr | Abendessen / Vernetzung (EG, Foyer/Barraum) |
19:30 Uhr | Rahmenprogramm: |
Performance „Third Skin“ (EG, Henny-Brenner-Saal) |
Der Fachtag wird moderiert von Dr. Caroline Förster.
Die Teilnahme am Fachtag ist nur mit Anmeldung möglich. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Die Anmeldung ist mit Angabe zur Auswahl eines Workshops (1–4) per E-Mail erbeten an jane.wegewitz@slag-aus-ns.de und wird in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt.
Bei Anmeldung für den WS 4 bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:
Welches Thema und welcher Inhalt werden in eurem / Ihrem Projekt behandelt?
Wofür soll das gestaltete Material verwendet werden (z.B. Veranstaltung, Demonstrationen, öffentliche politische Werbung, Bodengestaltung)?
Für einen vegetarisch/veganen Mittagsimbiss ist gesorgt.
Anmeldeschluss für den Fachtag ist der 25.10.2024.
Die Veranstaltungen des Rahmenprogramms sind öffentlich, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Eine Platzreservierung ist möglich per E-Mail an tickets@zentralwerk.de. Der Eintritt zu den Veranstaltungen des Rahmenprogramms ist frei, Spenden sind erwünscht (Spendenempfehlung € 5,- / 15,-).
Der Fachtag und das Rahmenprogramm sind eine Veranstaltungsreihe der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, des Zentralwerks und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Kooperation mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste, dem Fachnetzwerk Antiziganismus/Antiromaismus , Weiterdenken – Heinrich Böll Stiftung Sachsen und dem Ökumenischen Informationszentrum e.V.