I´m a jew, fuck you! Ohne Holocaust kein Punk?
„Ich glaube nicht an Gott und ich bin bestimmt kein Zionist, nichts an mir ist koscher, ich bin ein Jude von meiner Hakennase bis zu meinem beschnittenen Schwanz. Hitler war es egal woran ich glaube, er wollte mich töten, wie alle von uns. Hitler macht mich zum Juden, Rassisten machen mich zum Juden, ich habe die Race-Barrieren satt, ich bin ein Jude, fuck you!“
Der Song der englischen Band The Long Decline erinnert daran, wer Juden zu Juden macht, wer sich warum Juden hält, als inneren Feind, als äußeren Feind, den (einfluß)reichen Juden, den sexuell potenten Juden, den holocaustprivilegierten Juden. „I´m a jew“ stammt aus dem Jahr 1995 und wurde damals von den Wenigen, die das Lied gehört haben, gefeiert als ermutigendes Beispiel für ein neues jüdisches Selbstbewußtsein im Pop, das offensiv mit der Opferrolle bricht. „I´m a jew, fuck you“ appelliert nicht auf devote Art an die philosemitischen Gönnerdeutschen. The Long Decline sind Juden, sie sagen es, und wem das nicht passt, der bekommt den Mittelfinger.
An zwei Abenden erzählt Klaus Walter in Wort, Bild & Sound die weitläufige und widerspruchsreiche Geschichte von Jewish Pop – wobei Jewish Pop allenfalls ein Container sein kann für die unterschiedlichsten Musiken der letzten 124 Jahre (oder so), von „Blitzkrieg Bop“ bis „White Christmas“ (ja, doch), von „Dachau Disney Disco“ bis „Strange Fruit“, von Carole King bis Sleater-Kinney, von den Beastie Boys bis Nina Simone, von Janis Ian und Haim bis Bob Dylan.
Außerdem gibt es Geschichte und Reaktionen: „Fuck Richard Wagner! Was für ein verdammtes Monster!“ Mit diesem Text beginnt die neue Single von Chilly Gonzales, Wahlkölner seit 2012 mit jüdischen Wurzeln, aber auch Fan von Richard Wagners Musik. „Richard Wagner war ein großer Komponist, aber ein monströser Mensch. Wagner nutzte seine Position als führender Intellektueller, um in seinem Buch „Das Judenthum in der Musik“ (1869) den Antisemitismus zu fördern.“
Am 7. Oktober 2023 verübten ca. 3.000 Personen, davon viele Menschen, die nicht unmittelbar der Hamas oder dem Islamischen Dschihad angehörten, in Israel ein Massaker rund um das Popfestival Supernova. Über 1.200 Menschen werden an diesem Tag ermordet, viele weitere als Geiseln genommen.
Nach dem 7. Oktober und der Reaktion der israelischen Armee kommt es bekanntlich (nicht nur) in Deutschland zu einem massiven Anstieg antisemitischer Übergriffe in Wort und Tat. Was tun?
Einen Monat nach dem 7. Oktober widmete sich Klaus Walter in seiner monatlichen Sendung „Was ist Musik“ bei byte.fm dem Jewish Pop – ausgehend von einer Liste der „150 größten jüdischen Popsongs“, die die New Yorker Zeitschrift „Forward“ 2022 veröffentlicht hat. Ist ein Popsong von einer Jüdin, einem Juden ein jüdischer Popsong? Das war nicht das Kriterium für die Autor*innen des Forward. In ihre Auswahl wurden Songs aufgenommen, die ein jüdisches Thema oder eine jüdische Geschichte ansprechen oder die jüdische Religion oder den Holocaust.
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Auseinandersetzungen mit der Gegenwart des Antisemitismus“.
In Kooperation mit dem Heartbreak, dem riesa efau, Kultur Forum Dresden e.V. und Weiterdenken HBS Sachsen. Mit finanzieller Unterstützung von MONOM Stiftung für Veränderung.
siehe auch: https://www.kosmotique.org/termine/im-a-jew-fuck-you-2/