Die gegenwärtige neoliberale Gesellschaft zeigt eine Reihe von scheinbar unzusammenhängenden Phänomenen: Globalisierung und Individualisierung; Aufhebung der Natur im virtuellen Raum und Suche nach einem „Leben im Einklang mit der Natur“; narzißtische Ich-Identität und konformistische Nachahmung von Vorbildern in den Sozialen Medien; Globalisierung und Auflösung der Welt in Volksgemeinschaften; Demokratie und Rechtspopulismus; Globalisierung und Krieg; unendliche Fülle von Informationen und Verlust des Erkennens von Zusammenhängen; unendliches Wissen von Einzelheiten und Unwissenheit über die großen Menschheitsprobleme: Krieg, Elend, Flucht, Klimawandel, …
Im ersten Teil des Vortrags wird die Logik des Neoliberalismus aus seiner Genese um 1971/81 dargestellt: das Dogma gesellschaftlicher Irrationalität; totale Verdinglichung der Verhältnisse und Ausdehnung des logos der societas auf die Natur; Reduktion technischer Rationalität auf das Sozialatom. Aus dem Dogma der gesellschaftlichen Irrationalität ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen, etwa: ‚Ende der Geschichte’; ‚Ende der Utopien’; Individualisierung und Standardisierung; Globalisierung und Volksgemeinschaft; Ende von Widerspruch und Widerstand; …
Im zweiten Teil des Vortrags werden die Widersprüche des Neoliberalismus dargelegt: neoliberale Theorie der Gesellschaft und Apologie gesellschaftlicher Irrationalität; Theorie spontaner Ordnung und administrative Konstitution und Funktionssicherung der spontanen Ordnung; Aufhebung der Natur und Naturalisierung der Verhältnisse; Individualisierung und Konformismus; Freiheit und Zwang; Geschichtslosigkeit und Fortschritt; Neoliberalismus als anti-utopische Utopie; Globalisierung und Volksgemeinschaft; Anti-Sozialismus/Nationalsozialismus und nazistischer Rechtspopulismus; …
Im dritten Teil des Vortrags wird ein zentraler Widerspruch der neoliberalen Gemeinschaft genauer betrachtet: der Widerspruch von Volksgemeinschaft und einem Sozialatomismus, durch den die Einzelnen sich um so freier wähnen, je konformistischer sie sind. Dieser Atomismus wurde um 1944 in der kritischen Theorie, im Anschluß an die Massenpsychologie (Le Bon; Freud), als zentrale Erscheinungsform des autoritären Charakters erkannt: eines Subjekts, das sich frei wähnt, weil es sich als „ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ nicht weiß und deshalb die Personifikation dieser Verhältnisse ist. In diesem bewußtlosen Ich fallen Ich, Gesellschaft und Natur zusammen. Die Natur des Ich und die äußere Natur als ‚natürliche Natur’ werden zum Fetisch.